Am 1. Februar 1965 wurde der erste Spatenstich am Bahnhof Nordfriedhof (damals noch als „Schenkendorfstraße“ geplant) in der Ungererstraße vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel und Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel getätigt. Der Ort des Baubeginns bedeutet eine gewisse Anlehnung an den Ingenieur August Ungerer, der 1886 die erste elektrische Straßenbahn Münchens zwischen der Münchner Freiheit und dem Ungererbad in Betrieb nahm.1 Etwas weiter nördlich, am Bahnhof Alte Heide (damals noch als „Nordfriedhof“ geplant) konnte gut ein Jahr später dann auch das erste Richtfest gefeiert werden, der Bahnhof Nordfriedhof folgte am 22. Dezemer 1966.
Bereits seit dem 23. August 1964 wurde mit dem Umlegen von Kanälen und Leitungen in der Ungererstraße begonnen, die sogenannten Spartenarbeiten, die vor jedem U-Bahn-Bau mit offener Baugrube nötig sind. Bei solchen Bauarbeiten kam es am 11. August 1965 dann auch zu den ersten Todesfällen beim U-Bahn-Bau, als Bauarbeiter vorschriftswidrig Verstrebungen entfernten, was zum Einsturz eines Kanalschachtes führte.2
Bauabschnitte des Ersten Mittelfristprogramms | |
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U1 | Rotkreuzplatz – Kolumbusplatz |
U8 (heute U2) | (Olympiazentrum –) Scheidplatz – Neuperlach Süd |
U3 | Scheidplatz – Implerstraße |
U9 (heute U4) | Laimer Platz – Arabellapark |
U5 | Laimer Platz – Innsbrucker Ring (– Neuperlach Süd) |
U6 | Kieferngarten – Holzapfelkreuth |
Schub durch Olympia
1966 kamen die U-Bahn-Pläne dann richtig in Schwung, als das IOC die XX. Olympischen Spiele für das Jahr 1972 nach München vergab. Nun galt es, ein leistungsfähiges Verkehrsnetz aufzubauen. Der Stadtrat wandelte mit seinem Beschluss vom 16. Juni 1966 die bisherigen Planungen ab und beschloss, dem Zubringer zum Olympiagelände Vorrang einzuräumen, die eigentlich für das Jahr 1974 oder später vorgesehene Eröffnung des ersten Netzabschnittes musste deutlich vorgezogen werden. Ursprünglich war gar von einer Bauzeit von 14 Jahren die Rede, später von 12 und mit der Olympiaentscheidung musste die Bauzeit schließlich auf 6 1/2 Jahre verkürzt werden. Die Planungen zur Olympialinie mussten unter großem Zeitdruck in nur einem Monat unter Dach und Fach sein, da ansonsten an eine fristgerechte Fertigstellung kaum zu denken war. Bereits am 10. Mai 1967 konnte mit dem Bau begonnen werden. 3
Schildvortrieb 1966 Die Notwendigkeit einer effizienten Finanzplanung machten schnell klar, dass dies nicht aus den bestehenden städtischen Behörden heraus möglich war. Deswegen wurde am 1. Februar 1965 zusammen mit der bayerischen Staatsregierung die Münchner Tunnel-Gesellschaft mbH gegründet, die auch die Geldmittel für den Bau der S-Bahn-Stammstrecke koordinieren sollte. Ebenso wurde das U-Bahn-Referat neu geschaffen, das die Bauplanung und -ausführung in sich konzentrierte und ein organisatorisches Durcheinander der einzelnen städtischen Instanzen verhinderte, was den Bau ansonsten unnötig verzögert hätte. Die MTG war hauptsächlich für die Aquirierung der Fördergelder bei Bund und Land zuständig, das U-Bahn Referat für Planung und Bau der U-Bahn-Strecken.
Treibende Kraft an der Spitze des U-Bahn-Referats war zu Beginn Dr. Klaus Zimniok, durch dessen Beharrlichkeit so manche Entscheidung erst möglich wurde. Dabei war der Erfolg so groß, dass bereits 1967 nach weiteren U-Bahn-Strecken gesucht würde, um die akquirierten Mittel auch zeitnah verbauen zu können. Bereits vor Eröffnung der ersten Strecke wurde deshalb mit dem Bau der Strecke vom Hauptbahnhof nach Neuperlach begonnen.4
Baustelle im Zentrum 1969 Das damals geplante Liniennetz ist in seinen Grundzügen in den folgenden zwei Jahrzehnten komplett verwirklicht worden, lediglich in den Außenbezirken gab es Änderungen. Den Kern des Netzes sollte ein innerstädisches Dreieck aus Hauptbahnhof, Odeonsplatz und Sendlinger Tor bilden, das an den erwähnten sowie an den eingeschlossenen Bahnhöfen Karlsplatz (Stachus) sowie Marienplatz optimale Umsteigebeziehungen zwischen allen Linien und der S-Bahn-Stammstrecke ermöglichen sollte. Die Kernziele wurden damals in 3 Mittelfristprogrammen festgelegt, die im Jahre 2006 nahezu erfüllt sind.
Kurz vor Pfingsten im Jahr 1967 kam es beim Rohbau des U-Bahnhofs Universität fast zu einem scheren Unfall: ein Schwerlastzug war trotz Verbot über die Baugrubenabdeckung gefahren und hatte sie teilweise eingedrückt. Nach anfänglichen Befürchtungen einer Einsturzgefahr konnte aber schnell Entwarnung gegeben werden.
Um den Straßen(bahn)verkehr auch während der Bauzeit zu gewährleisten, wurden die Baugruben teilweise mit Stahlträgern abgedeckt, auf denen der Oberflächenverkehr weiterlaufen konnte. An der Kreuzung der Ludwigstraße mit dem Altstadtring wurde sogar eine Behelfsbrücke zu diesem Zweck gebaut, da der Straßentunnel an dieser Kreuzung erst im Zuge des U-Bahn-Baus errichtet wurde.5
Erste Testfahrten
Bereits am 6. Juli 1967 konnte mit ersten Testfahrten mit den gelieferten Prototypen der U-Bahn-Wagen auf der Strecke zwischen Alte Heide und Studentenstadt begonnen werden. Als Werkstatt wurde provisorisch das Abstellgleis nördlich des U-Bahnhofs Alte Heide genutzt. Die drei Prototypen der künftigen Fahrzeuge drehten ihre ersten Runden noch in einem Straßenbahnbetriebshof, ehe sie 1967 endlich auf U-Bahn-Gleise gestellt werden konnten.
Am Tag der Offenen Tür am 19. Oktober 1968 fuhren 26.000 Münchner auf dem kurzen Gleisabschnitt zwischen Nordfriedhof und Studentenstadt erstmals in den neuen Fahrzeugen. Ab November 1969 konnte bereits die Strecke von der Münchner Freiheit bis zum Betriebshof Nord in Fröttmaning befahren werden, auf dieser Strecke wurde auch eine Schienenverbindung zum Gleisnetz der Deutschen Bundesbahn hergestellt, über die alle künftigen U-Bahn-Wagen angeliefert werden konnten.
Rohbau Marienplatz 1969 Am 12. Mai 1969 übergab das U-Bahn-Referat ein lebensgroßes Modell eines fertiggestellten U-Bahn-Tunnels an das Deutsche Museum, um ein Stück Münchner Geschichte noch vor Inbetriebnahme bereits im Museum für zukünftige Generationen zu dokumentieren.6
Am 19. September 1969 kam es dann zeitgleich zum Anstich des ersten Bierfasses auf der Theresienwiese zu einem schweren Zwischenfall beim Münchner U-Bahn-Bau: die zur Wasserdichtigkeit angebrachte brennbare "Büffelhaut" aus Bitumenpappe in einem Tunnelabschnitt hatte Feuer gefangen, da Arbeiter beim Gang zur Mittagspause ein Flammgerät nicht ordnungsgemäß abgestellt hatten. Binnen Minuten stand der gesamt Rohbau des U3-Tunnels in der Karl-Theodor-Straße in Flammen, nach einigen Stunden stand er dann knietief voll mit Löschwasser der Feuerwehr. Zwei Tage später war dann klar, dass die Rohbauwände nicht ernsthaft beschädigt wurden und einem Weiterbau nichts im Wege stand.
Bereits einige Monate vorher, am 23. Februar 1969 kam es unter dem Marienplatz zu einem ähnlichen Unglück, bei dem 3 Arbeiter getötet wurden. Der Brand war dort zwar schnell unter Kontrolle, jedoch erstickten die drei Arbeiter im Tunnel, da sie sich in die falsche Richtung flüchteten.
Büffelhaut wurde zukünftig nicht mehr zur Abdichtung der Tunnel benutzt, stattdessen wurde erstmals wasserdichter Beton verbaut.7
Drei Stammstrecken
Am 7. Oktober 1970 fiel schließlich der Entschluss, nur drei statt vier Stammstrecken durch das Zentrum zu bauen und in jeder Stammstrecke zwei Linienäste aus den Außenbezirken zu bündeln. Die Gründe waren zum einen die hohen Kosten der unterirdischen Bauwerke in der eng bebauten historischen Innenstadt und auch eine bessere Netzwirkung durch weniger Umsteigeverbindungen. Auch sollte eine Übererschließung durch zu viele Strecken vermieden werden. Die Verringerung der Anzahl an Stammstrecken auf drei erhöhte nach einer Studie des U-Bahn-Referates die Wirtschaftlichkeit der Strecken stark, auch die Umsteigebeziehungen in der Innenstadt sollten durch Bündelung entlastet werden. Etwa eine halbe Milliarde DM sollte außerdem damit eingespart werden.
Eine erste Eröffnungsfahrt gab es am 27. April 1971 vom Marienplatz bis nach Fröttmaning: der Münchner Stadtrat fuhr zur Besichtigung des seinerzeits größten U-Bahn-Betriebshofs Europas unterirdisch bis in den Münchner Norden.8