4. März 2010
Fahrgastfernsehen
im C-ZugViele Städte haben es bereits: Sogenannte Infotainmentsysteme informieren und unterhalten die Fahrgäste während der Fahrt mit aktuellen Informationen, finanziert durch Werbung. Auch in München wird jetzt ein zweiter Anlauf gestartet, ein solches System flächendeckend in der U-Bahn sowie der Trambahn zu installieren. Der Einbau soll etwa in der Mitte dieses Jahres starten.
Bereits im Jahr 2001 wurde in München in Form von "U-Info" der Versuch unternommen, ein solches System zu etablieren. In zwei U-Bahn-Langzügen waren hier Monitore installiert worden, die neben dem Informations- und Werbeprogramm auch die nächste Haltestelle angezeigt haben. Im Frühjahr 2003 musste allerdings der private Betreiber Insolvenz anmelden, womit das Projekt, das bei den Fahrgästen nach den Umfragen gut angekommen ist, scheiterte.
Diesmal hat sich die MVG daher entschlossen, auf einen wirtschaftlich stabilen Partner, der seit drei Jahren schwarze Zahlen schreibt und schon 10 Jahre Erfahrungen in diesem Bereich sammeln konnte, zurückzugreifen. Aus 9 Bewerbern wurde hier die Firma "Berliner Fenster" ausgewählt, die in Berlin seit dem Jahr 2000 in 1106 U-Bahnwagen insgesamt 3768 Doppelmonitore betreibt - und Umfragen zufolge dort von 82% der Fahrgäste mit "gut" oder "sehr gut" bewertet wird. Für das "Münchner Fenster", wie das neue System getauft wurde, wird in München ein eigenes Studio mit sechs Mitarbeitern gegründet, das für die mindestens 80% redaktioneller Inhalte der Sendeschleife verantwortlich sein wird. Der Geschäftsführer der Berliner Firma, Andreas Orth, rechnet mit einer Anfangsinvestition von etwa 0,5 bis eine Million Euro, und erwartet, in etwa zwei Jahren schwarze Zahlen schreiben zu können.
Anzeige des LinienverlaufsHauptziel von Seiten der MVG ist allerdings nicht das Infotainmentsystem, sondern eine deutliche Verbesserung der Fahrgastinformation, da ein großer Teil der Münchner U-Bahn-Züge nach wie vor über keine optische Haltestellenanzeige verfügt, und die Fahrgäste daher nur über deutschsprachige Fahrerdurchsagen mit einer "gewissen Schwankungsbreite" in der Qualität informiert werden. Die Kombination von Fahrgastinformation und Infotainment in einem gemeinsamen System ermöglicht es der MVG, die an den Werbeerlösen beteiligt wird, nicht nur, dass sich die Kosten von etwa 6,5 Millionen Euro für die Installation bereits nach wenigen Jahren amortisieren, sondern soll auch langfristig einen Beitrag zur Finanzierung des Münchner Verkehrssystem leisten. Dabei gibt es eine klare Trennung zwischen den beiden Systemen: In einem gemeinsamen Gehäuse sind zwei Monitore nebeneinander untergebracht. Während der rechte Monitor eine Mischung aus Information, Unterhaltung und Werbung zeigt, wird der linke Monitor ausschließlich von der MVG für die Fahrgastinformation verwendet.
Fahrgastinformation
AnschlußübersichtNeben der Anzeige der nächsten Haltestelle erfährt der Fahrgast hier auch Linie und Ziel des Zuges, die Umsteigemöglichkeiten, Hinweise auf Sehenswürdigkeiten sowie die Ausstiegsseite, außerdem wird die Uhrzeit und an Endstationen die Zeit bis zur Abfahrt angezeigt. In der zweiten Ausbaustufe sollen auch die minutenaktuellen Abfahrtszeiten der Anschlüsse an der nächsten Station angezeigt werden, die aus den selben Quellen wie MVG Live sowie die Zugzielanzeiger am Bahnsteig gespeist werden. Hierfür muss allerdings noch ein Datenübertragungsnetz aufgebaut werden, so dass diese Funktionalität erst nach und nach zur Verfügung stehen wird. Begonnen werden soll hier bei den großen Umsteigebahnhöfen. Außerdem kann von der Betriebszentrale der MVG ein Laufband mit aktuellen Informationen über Bauarbeiten oder Störungen analog zu den Zugzielanzeigern eingeblendet werden.
Automatische Haltestellenansagen sollen vorerst nicht nachgerüstet werden.
Ablauf der Ausrüstung
Installiert werden sollen 1432 Doppelmonitore in der U-Bahn, und 680 Doppelmonitore in der Trambahn. Die Ausschreibung der Monitore läuft momentan, so dass etwa Mitte dieses Jahres mit der Installation begonnen werden soll. Die U-Bahn erhält dafür pro Wagen vier Doppelmonitore, von denen jeweils zwei Doppelmonitore in einem Gehäuse Rücken an Rücken verbaut sind. Die einzelnen Monitore haben eine Bilddiagonale von mindestens 17 Zoll im Format 16:9. Da die Inhalte in HD-TV-Qualität dargestellt werden sollen, werden die Abstellanlagen, Endbahnhöfe und Knotenbahnhöfe mit breitbandigen Funkverbindungen ausgerüstet, über die die aktuellen Informationen auf den Zug überspielt werden können. Diese Funkverbindung wird gleichzeitig auch für die Verkehrsinformationen (Störungsticker, aktuelle Abfahrtszeiten der Anschlüsse) mitgenutzt, außerdem wird die MVG auf Anfrage der Polizei darüber auch den Videospeicher der Überwachungskameras auslesen können. Eine Live-Übertragung der Videobilder ist allerdings nicht geplant.
Ausgestattet werden alle B- und C-Wagen, von den A-Wagen sollen aber nur die Serien A2.5 und A2.6 (Baujahr ab 1982), die noch über 10 Jahre im Einsatz sein werden, nachgerüstet werden. Insgesamt werden damit 358 Wagen mit dem System ausgerüstet. Alle Arbeiten sollen im Jahr 2014 abgeschlossen sein. In den Bussen soll allerdings nur das bestehende Fahrgastinformationssystem erweitert werden, da es hier Probleme mit der Deckenhöhe gibt, und außerdem ohnehin 80% der Fahrgäste zumindest einen Teil ihrer Fahrt mit einem Schienenverkehrsmittel zurücklegen.
Infotainment
Geschäftsführer Andreas Orth
(links) ist zuständig für die InhalteBei dem Infotainmentsystem soll großer Wert auf die Qualität der Inhalte gelegt werden. Daher werden maximal 20% der 15minütigen Sendeschleife aus Werbung bestehen, der Rest aus redaktionellen Informationen. Die MVG darf außerdem bis zu 15% des Programms mit eigenen Inhalten, wie Baustellen- oder Tarifinformationen, bestücken. Konkret soll sich das Programm aus folgenden Elementen zusammensetzen:
- Nachrichten: 5 Minuten, davon drei minuten regionale Nachrichten
- Magazin: 3 Minuten
- Stadtinformationen (Veranstaltungen, Inhalte der MVG, Museen): 4 Minuten
- Werbung: 3 Minuten
Den Magazinteil und die Stadtinformationen in Form von längeren Beiträgen will das Münchner Fenster in einem eigenen Münchner Studio selbst produzieren, um so zu gewährleisten, dass die speziellen Anforderungen an die Beiträge in einem rein visuellen Medium erfüllt werden. Im Magazinbereich sollen zum Beispiel Beiträge aus den Themen Kino, Bundesliga und Nachtleben gezeigt werden, außerdem soll es einmal im Jahr analog zu Berlin ein Kurzfilmfestival mit dem Namen "Going Underground" geben, bei dem eine Woche lang 14 Kurzfilme, die im letzten Jahr aus über 600 Einsendungen aus der ganzen Welt ausgewählt wurden, gezeigt werden. Die Fahrgäste können hier im Internet abstimmen und den besten Film wählen. Außerdem sind auch andere Formen der Zuschauerbeteiligung geplant wie zum Beispiel ein "Foto des Tages", das aus Zuschauereinsendungen ausgewählt werden wird.
Die Programmzusammenstellung soll dabei tageszeitabhängig in Zweistundenblöcken gestaltet werden. So sollen zur Berufsverkehrszeit Inhalte gezeigt werden, die für Münchner besonders interessant sind, während ab 10 Uhr vermehrt an Touristen gerichtete Informationen bevorzugt werden. Am Abend wird sich das Programm mehr an die Zielgruppe der Partygänger richten.