21. Mai 2008
Überraschend hat die MVG am Mittwoch, dem 21.5. die Ergebnisse einer Ende 2007 in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie zu einer möglichen Verlängerung der U6 nach Norden zum S-Bahnhof Neufahrn vorgestellt.
Die Studie bestätigt dabei generell die Machbarkeit einer solchen Strecke. Herbert König, Vorsitzender der MVG-Geschäftführung, betonte allerdings, dass die Studie keinerlei Aussagen zur Finanzierbarkeit sowie zum Fahrgastpotential macht, und dies erst noch untersucht werden müsse. Auch die dort künftig geplante Siedlungsstruktur sei wichtig und müsse ausgearbeitet und dann berücksichtigt werden. Außerdem seien durch die Studie andere Trassenführungen sowie mögliche weitere Zwischenstationen nicht ausgeschlossen, sondern müssten gesondert untersucht werden. Dabei sei auch eine Führung über Eching möglich. Die Studie sei eine Reaktion auf Anfragen der TU und der Stadt Garching an die MVG, ob eine solche Verlängerung aus Sicht der MVG denkbar wäre. Diese Frage kann jetzt bejaht werden, so dass es jetzt Aufgabe der Politik sei, das weitere Vorgehen festzulegen.
Die mögliche Verlängerung werde zwar durch das Ende des Transrapids Aufwind bekommen, sei allerdings keine Alternative für eine verbesserte Flughafenanbindung der Innenstadt, da die U-Bahn aus der Innenstadt länger zum Flughafen brauchen würde als die S-Bahn.
Vorteile bietet die Erweiterung vor allem für Fahrgäste nördlich der Münchner Freiheit, an der bereits die Fahrt über die U6 zum Flughafen schneller wäre als über die Innenstadt. Darüber hinaus würden vor allem Garching und die Technische Universität sowie die Anbindung des Fußballstadions stark profitieren, da hier bisher noch keine sinnvolle Verbindung existiert.
Die Trassenvarianten
In der Machbarkeitsstudie wurden drei mögliche Trassenvarianten untersucht. Allen gemeinsam ist, dass die Neubaustrecke an das bestehende Bauwerk in Garching-Forschungszentrum anschließen würde, das bereits für eine mögliche Verlängerung vorbereitet ist. Noch unterirdisch würde dann die B11 unterquert werden, nach der die U-Bahn dann direkt wieder an die Oberfläche auftauchen würde. Danach führt die Trasse westlich an Dietersheim vorbei, an dem ein Halt nur optional eingeplant. Hier trennen sich die Trassen für die drei Varianten auf:
- Variante 1 führt östlich am Rand von Neufahrn vorbei und taucht kurz vor dem S-Bahnhof in einen Tunnel und die daran folgende unterirdische U-Bahn-Haltestelle ab.
Probleme sind hier die enge Bebauung im Bereich des unterirdischen Trassenverlaufs sowie die nicht abschätzbaren Baukosten des unterirdischen Haltepunkts in Neufahrn. - Variante 2 führt unterirdisch durch die Neufahrner Innenstadt mit einer optionalen Haltestelle an der Ortsmitte bis zum unterirdischen Bahnhof am S-Bahnhof.
Probleme sind hier der enge Straßenquerschnitt in der Ortsmitte, starke Richtungswechsel im unterirdischen Trassenverlauf sowie die nicht abschätzbaren Baukosten der unterirdischen Bahnhöfe in Neufahrn. - Variante 3 führt westlich von Neufahrn in einen Tunnel unter das dortige Industriegebiet, kehrt dann kurz vor dem Neufahrner S-Bahnhof an die Oberfläche zurück und endet dann an einem oberirdischen U-Bahnhof direkt nördlich der S-Bahngleise.
Hauptproblem sind hier nötige kleinere Umbauten bei der S-Bahn, die Verlegung des Zugangs zur Bahnunterführung, die nötige Verlegung des Weges "Am Bahndamm" sowie der nötige Grunderwerb im Bereich des Bahnhofs.
Variante 1 und 2 können dabei wahlweise eingleisig als auch zweigleisig realisiert werden, Variante 3 soll auf den letzten 2,3 km vorm dem Neufahrner Bahnhof nur eingleisig errichtet werden. Da ohnehin nur ein 20-Minuten-Takt zu erwarten ist, wäre eine eingleisige Variante problemlos möglich.
Variante 1 Neufahrn Ost |
Variante 2 Neufahrn Mitte |
Variante 3 Neufahrn West |
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Trassenlänge | 7,6 km | 6,8 km | 7,2 km |
ggf. eingleisiger Abschnitt: | 1,2 km | 2,6 km | 2,3 km |
Zwischenhalt: | keiner | Neufahrn Ortsmitte | keiner |
Fahrzeit: | 6,5 Minuten | 6,2 Minuten | 6,0 Minuten |
Kosten zweigleisige Variante: | 205 Mio. € gesamt 27 Mio. € pro Kilometer |
260 Mio. € gesamt 38 Mio. € pro Kilometer |
- |
Kosten teilweise eingleisige Variante: | 200 Mio. € gesamt 26 Mio. € pro Kilometer |
240 Mio. € gesamt 35 Mio. € pro Kilometer |
150 Mio. € gesamt 21 Mio. € pro Kilometer |
Als "Tendenzaussage" würde die MVG dabei die Variante 3 bevorzugen, da diese die bei weitem preisgünstigste sei. Variante 2 wäre zwar verkehrlich interessanter durch die Möglichkeit einer Zwischenstation in der Neufahrner Ortsmitte, allerdings ist ein Tunnel dort baulich nur sehr schwer realisierbar, da die Straßen zu eng für Deckelbauweise sind und außerdem der Kirchturm der Kirche Probleme bei der Unterfahrung machen würde; daher seien die Kosten für diese Variante hoch und nur schwer zu kalkulieren.
Fahrzeiten
Bei allen Varianten beträgt die Fahrzeit zwischen Garching-Forschungszentrum und Neufahrn ohne einen weiteren Zwischenhalt ca. 6 Minuten. Vom Marienplatz würde damit eine Fahrt zum Flughafen über die U6 46 Minuten dauern gegenüber 38 Minuten über die S-Bahn. Bereits an der Münchner Freiheit wäre die Fahrzeit über die U6 ca. 7 Minuten kürzer als über Marienplatz und die S-Bahn, weiter nördlich würde sich der Reisezeitgewinn weiter zugunsten der U6 verschieben. Von Garching-Forschungsgelände würde sich die Fahrzeit von heute 30 bzw. 38 Minuten auf dann 21 Minuten mehr als halbieren.
Damit wäre die Verbindung zum Flughafen in erster Linie für Fahrgäste die nördlich der Münchner Freiheit zusteigen interessant, für Fahrgäste südlich dagegen nicht mehr. Damit wäre ein Fahrgastzuwachs vorallem in dem Bereich der U6 zu erwarten, der noch Kapazitäten frei hat, nicht aber im Bereich der ohnehin an der Kapazitätsgrenze angelangten Stammstrecke der U3/6.
Weiteres Vorgehen
Herbert König
bei der
PräsentationJetzt nach der Machbarkeitsstudie wären die nächsten Schritte das Erstellen einer Kosten-Nutzen-Analyse sowie die Untersuchung weiterer Trassenvarianten, was aber nicht im Kompetenzbereich des Betreibers liegt, sondern bei der Politik, in diesem Fall dem Freistaat und der Region. Davor müssten auch noch weitere Planungen wie die kommende Siedlungsentwicklung in diesem Bereich definiert werden. Darüber hinaus sei auch die Bahn gefordert, da bei einem oberirdischen U-Bahnhof parallel zum bestehenden S-Bahnhof auch deren Mitwirken nötig sei.
Außerdem ist zu überlegen, ob die Anschaffung schnellerer Fahrzeuge, die 100km/h oder 120km/h fahren können, sinnvoll und bezahlbar wäre. Auf diese Art könnte die Reisezeit auf der Strecke weiter verkürzt werden.
Zu dem Zeitpunkt, an dem eine Inbetriebnahme frühestens möglich wäre, will König keine Angaben machen, weist aber darauf hin, dass bei solchen Projekten der eigentliche Bau am wenigsten Zeit beansprucht, für die Planung aber sehr viel Zeit nötig sei. Auch zur Finanzierung wollte König sich nicht äußern, da dies ebenfalls Aufgabe der Politik sei.
Reaktionen der Politik
Der S-Bahnhof
NeufahrnAuch die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden Garching, Eching sowie Neufahrn zeigten sich von der Entwicklung überrascht und erklärten übereinstimmend, auch sie hätten nur aus der Presse von der Machbarkeitsstudie und dem heutigen Termin erfahren. Ansonsten wird der Vorstoß der MVG aber tendentiell positiv aufgenommen.
Frau Hannelore Gabor, Bürgermeisterin von Garching, hebt vorallem die Notwendigkeit einer schnellen Verbindung zwischen den beiden Hochschulstandorten in Garching, in Weihenstephan bei Freising sowie in Großhadern hervor, zwischen denen die Studenten teilweise und in Zukunft vermehrt pendeln müssen. Für die Garchinger Wirtschaft hält sie eine schnelle U-Bahn-Verbindung zum Flughafen für nicht so relevant. Außerdem erwähnte Gabor, dass noch weitere Machbarkeitsstudien existieren, die auch Trassen unter Einbeziehung einer Haltestelle in Eching berücksichtigen.
Darüber hinaus erhofft sich Gabor eine Reduzierung des Defizits der U-Bahn nach Garching, eine Verschiebung der Tarifzonengrenzen nach außen sowie eine Verlagerung des Parkplatzproblems bei Fußballspielen in den anderen Landkreis. Die genaue Trassenvariante ist für Garching nicht so wichtig, die Hauptsache sei dass es überhaupt eine Verknüpfung an die S-Bahn gäbe.
Hans Hanrieder, zweiter Bürgermeister von Eching, begrüßt die Planungen ebenfalls, und stört sich auch nicht daran dass Eching nach diesen Planungen keinen Halt bekommen soll. Wichtig ist ihm vorallem, dass die Trasse weit genug von Dietersheim entfernt ist, so dass einer Erweiterung des Ortes, der nach einem Gemeinderatsbeschluß auf etwa 4000 Einwohner anwachen soll, nichts im Wege steht. Eching hätte sich allerdings gewünscht, dass auch die Variante "Eching Ost" untersucht worden wäre. In der U-Bahn sieht er eine Chance für die Entzerrung der Verkehrsflüsse sowie die Möglichkeit der Einstellung innerstädtischer Buslinien wie der Linie von Eching nach Neufahrn sowie von Eching nach Garching-Forschungsgelände. Ansonsten sehe er die Planungen "ganzheitlich" vorallem im Hinblick auf die Institute, und hätte kein Problem damit wenn Eching nicht berücksichtigt werden würde.
Fazit
Aus der Machbarkeitsstudie sollte man keine voreiligen Schlüsse ziehen. Untersucht wurde nur exemplarisch eine von vielen Varianten - der Verlauf der Trasse ist genauso offen wie die Realisierbarkeit. In der Machbarkeitsstudie wird nur die bauliche Möglichkeit einer solchen Trasse untersucht, nicht die Finanzierbarkeit oder der Nutzen der Strecke. Die Studie gibt der Diskussion um die Verlängerung der U6 sicherlich weiteren Rückenwind, bis zu konkreten Planungen ist es aber noch ein sehr weiter Weg mit vielen Hürden, an denen das Projekt scheitern kann.